GBPs aus der Dynamin-Familie: alte Bekannte mit neuen Funktionen

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Abbildung 1 (Dr. Theresa Reimann): GRÜN: AtGBPL3-GFP in Arabidopsis thaliana Wurzelzellen während der Interphase (innere Kernhülle) und während der Zellteilung (Proteinaggregate). ROT: Propidiumiodid-gefärbte Zellwände.

Große GTPasen (GTP-spaltende Proteine) aus der Dynamin-Familie enthalten alle eine hoch-konservierte katalytische Domäne, können aber sehr unterschiedliche Funktionen haben. Viele Mitglieder dieser Proteinfamilie generieren auf der Basis von GTP-Spaltung mechanische Kräfte, die verwendet werden um z.B. endozytotische Vesikel von der Plasmamembran abzuschnüren, oder um die Fusion, Teilung und/oder Morphogenese von zellulären Organellen zu betreiben. Andere Familienmitglieder, die zur Untergruppe der GBPs (Guanylat Bindende Proteine) gehören, haben zentrale Funktionen in der Immunabwehr. Wissenschaftler:innen am Department Biologie der FAU konnten jetzt nachweisen, dass GBPs zusätzlich zu den bisher bekannten Funktionen eine entscheidende Rolle spielen bei der Rekonstitution der Kernhülle während der Zellteilung, sowie bei der Ausbildung der Kerngestalt. Außerdem interagieren diese Proteine mit Chromosomen und mit Komponenten der Lamina, einem an die innere Kernhülle angelagerten Proteingerüst, und tragen dadurch zur transkriptionellen Repression von Genen in der Kernperipherie bei.

Die oben zusammengefassten neuen Erkenntnisse beruhen auf der funktionellen Charakterisierung von AtGBPL3, einem GBP Homolog aus der Modellpflanze Arabidopsis thaliana. Durchgeführt wurde diese Untersuchung von einem Team um Dr. Theresa Reimann und Dr. Christina Müdsam am Lehrstuhl Zellbiologie in Zusammenarbeit mit GBP-Spezialisten vom Universitätsklinikum der FAU, sowie von der Universität Bochum.

Während der letzten Zellteilungsphase akkumuliert AtGBPL3 an der Oberfläche von neugebildeten Tochterkernen, rekrutiert im Zytoplasma verteiltes Membranmaterial an diese Oberfläche und sorgt für die Rekonstitution einer Hülle um die neugebildeten Tochterkerne. Das AtGBPL3-Gen ist in der ganzen Pflanze aktiv, am stärksten aber in Wurzelmeristem-Stammzellen, die maximale Zellteilungsraten aufweisen. Während AtGBPL3-freie Mutanten nicht lebensfähig sind, führt eine reduzierte AtGBPL3 Expression zur Bildung stark verkürzter Wurzeln. Einzelne Stammzellen in diesen kurzen Wurzeln sind nicht in der Lage, nach erfolgter Teilung eine neue Kernhülle zu bilden und sterben deshalb ab. Zusätzlich zeigen intakte Zellkerne in mutierten Wurzeln eine stark abgerundete Morphologie anstelle der für normale Zellkerne typischen spindel-förmigen Gestalt.

Während der Interphase zwischen Zellteilungen akkumuliert AtGBPL3 an der Innenseite der Kernhülle und bindet direkt an die Zentromerregionen aller Chromosomen, die bekannterweise in der Kernperipherie direkt unterhalb der Kernhülle positioniert sind. Außerdem interagiert AtGBPL3 mit Kernlamina-Proteinen, die chromosomale Bereiche (LADs: Lamina Associated Domains) direkt neben den Zentromerregionen an die Kernhülle rekrutieren und für deren transkriptionelle Repression verantwortlich sind. Interessanterweise zeigen Mutanten mit Defekten in Genen, die entweder für AtGBPL3 oder für interagierende Kernlaminaprotein kodieren, die gleiche abgerundete Kernmorphologie, sowie zusätzlich eine statistisch signifikant überlappende Deregulation der Geneexpression.

Diese Ergebnisse wurden am 24. April 2023 in der Zeitschrift „Nature Plants“ ONLINE publiziert und werden in der Mai 2023 Ausgabe dieser Zeitschrift erscheinen. Sie ergeben wichtige Einblicke nicht nur in das Aufgabenspektrum der großen GTPasen aus der Dynamin-Familie, sondern auch in die Zusammensetzung und Funktion der Kernlamina in Pflanzen, über die im Vergleich zur analogen Struktur in Tieren viel weniger bekannt ist. Zusätzlich wird ein bisher unbekannter funktioneller und/oder regulatorischer Zusammenhang hergestellt zwischen der Rekonstitution der Kernhülle während der Zellteilung, der anschließenden Ausbildung der Kerngestalt sowie der transkriptionellen Repression in der Kernperipherie während der Interphase.

Originalpublikation

Reimann, T.M.*, Müdsam, C.*, Schachtler, C., Ince, S., Sticht, H., Herrmann, C., Stürzl, M., & Kost, B. (2023) The large GTPase AtGBPL3 links nuclear envelope formation and morphogenesis to transcriptional repression. Nature Plants, ONLINE

* equal contribution

https://rdcu.be/daCIb

Weitere Informationen

Dr. Theresa Reimann
Lehrstuhl Zellbiologie, FAU Department Biologie
09131/85-28222
theresa.rottmann@fau.de

Dr. Christina Müdsam
Lehrstuhl Zellbiologie,
FAU Department Biologie
09131/85-28222
christina.muedsam@fau.de

Prof. Dr. Benedikt Kost
Lehrstuhl Zellbiologie, FAU Department Biologie
09131/85-28216
benedikt.kost@fau.de

 

Abbildung 2: Reduzierte AtGBPL3 Expression führt zu (A) Inhibition des Wurzelwachstums (gbpl3-5 Mutante), (B) absterbenden Stammzellen im Wurzelmeristem (Eindringen des Zellwandfarbstoffes Propidiumiodid ins Zellinnere) und (C) Defekten in der Rekonstitution der Kernhülle (markiert durch SUN1-GFP: grün; Pfeilspitzen) während der Teilung von Wurzelmeristemzellen, die zum Zelltod führen (Propidiumiodid-Färbung des Zellinneren: magenta; Pfeile). AtGBPL3 (D) akkumuliert während der letzten Zellteilungsphase an der Oberfläche von neugebildeten Tochterkernen und initiiert die Rekonstitution einer Kernhülle (SUN1-mCherry), (E) kolokalisiert und interagiert mit dem Laminaprotein CRWN4 an der Innenseite der Kernhülle während der Interphase und (F) bindet spezifisch an die Zentromerregionen aller Chromosomen (ChIP-seq). (G) gbpl3-5 und crwn4-1 Mutanten zeigen statistisch signifikant überlappende Deregulation der Geneexpression (RNA-seq).